Zeit nach der Klinik
Sowie ich aus der Klinik wieder draußen war,
nahm ich auch gleich die ambulante Therapie wieder auf. Ich zeigte
meiner Therapeutin die große Mappe mit Bildern, welche in der
Klinik gemalt hatte, damit wir sie für die weitere Therapie mit
verwenden konnten.
Bald merkte ich jedoch, dass ich im Moment nicht wirklich an den
Themen, welche ich in der Klinik angefangen hatte zu bearbeiten,
weiterarbeiten konnte. Meine Probleme schienen mir sehr weit weg
und so gönnte ich mir erst einmal eine Pause. Die wöchentichen
Therapiestunden nahm ich trotzdem wahr, wir beschäftigten uns aber
mit leichteren Problemen. Jeder Versuch zu den anderen Themen
zurückzukehren endete im totalen inneren Chaos.
Nach der Klinik wurde auch das Verhältnis zu meiner Mutter stetig
besser. Wir telefonierten öfter miteinander. Ich rief sie an und
sie meldete sich auch öfter bei mir. Trotzdem blieb das Gefühl,
viel wertvolle Zeit verloren zu haben.
Im April 2009 ließ ich mir die Fehlstellung meiner Augen operieren.
Diese Entscheidung hatte ich bereits während meines
Klinikaufenthalts in Hall getroffen und dabei sollte es auch
bleiben. Zunächst war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden, schauten
doch beide Augen endlich mal in die gleiche Richtung. Leider währte
die Freude nicht lang, denn mit der Zeit begann das eine Auge
wieder zu wandern. Es ist zwar nach wie vor immer noch besser als
vor der Operation aber ich war schon ein wenig enttäuscht.
Eventuell lasse ich es noch einmal operieren.
Im Mai/Juni begann ich langsam meine Medikamente wieder abzusetzen.
Das Schlafmedikament aus der Klinik brauchte ich schon seit einer
Weile nicht mehr und nun wollte ich auch auf die Antidepressiva
verzichten. Das Absetzen zog sich über mehrere Wochen hin aber ich
bin froh, dass wir es so langsam gemacht haben und mein Körper und
meine Seele so genügend Zeit hatten, sich darauf
einzustellen.
Anschließend begann ich mit der Suche nach einer Selbsthilfegruppe
und fand schließlich eine für Menschen mit psychischen Problemen
aller Art in Innsbruck. Es gibt jede Woche regelmäßige
Gruppentreffen in einer gemischten Gruppe und es werden auch
zahlreiche andere Aktivitäten, wie z.B. Wanderungen,
Wochenendseminare, Malen usw. angeboten. Seit dem ist die Gruppe
ein wichtiger Bestandteil in meinem Wochenplan.
Im Sommer schaffte ich es dann schließlich gemeinsam mit meiner
Therapeutin weiter an meinen schwereren Problemen zu arbeiten.
Jetzt kamen auch die gemalten Bilder aus der Klinik zum Einsatz.
Nachdem wir sie mehrmals nach verschiedenen Gesichtspunkten
sortiert hatten, fingen wir schließlich an sie zu besprechen.
Im Oktober 2009 stellte ich meiner Therapeutin dann die Frage ob es
jemals den richtigen Zeitpunkt dafür gibt, um über das Geschehene,
insbesondere den Missbrauch, zu reden. Und so kamen wir schließlich
auf das Thema Traumakonfrontation zu sprechen. Sie erzählte mir von
der Methode der "Bildschirmtechnik", mit der sie in der Regel
arbeitet. Nach einigen Sitzungen mit intensiven Vorbereitungen
machte ich schließlich mit ihr einen Termin für eine erste
Traumakonfrontation aus. Ich fühlte mich inzwischen sicher genug,
dieses Thema jetzt anzugehen.
Mittlerweile habe ich die erste Traumakonfrontation sehr gut hinter
mich gebracht und bin nun wirklich bereit dazu, mich mit Hilfe
meiner Therapeutin der intensiven Verarbeitung der
Missbrauchserlebnisse zu stellen. Ich bin sicher, dass dies noch
ein weiter und schwieriger Weg sein wird aber ich habe mit meiner
Therapeutin eine tolle Unterstützung an meiner Seite.
geschrieben am 23.10.09